Von Fussball, Kartoffelbirnen und «neuem» Lernen
Wer dem Gekicke zwischen dem FC Chlepfmoos und der 2. Mannschaft des FC Hinterwald-Bachen beiwohnt, weiss, dass das Spiel «Fussball» genannt wird. Aber er weiss auch, dass das Spiel gleichen Namens zwischen Bayern München und Real Madrid sich völlig anders präsentiert. Fussball ist eben nicht einfach Fussball. Auch wenn die Tore gleich gross, der Ball gleich rund und die Spieler ähnlich tätowiert sind – es liegen Welten zwischen dem Sportplatz Chlepfmoos und der Allianz Arena in München. Denn Vergleichbarkeit hängt nicht nur von den Vergleichsobjekten ab, sondern auch von den Vergleichskriterien.
Das heisst: Wer vergleichen will, muss sich mit den Kriterien auseinandergesetzt haben. Je differenzierter die Darstellung sein soll, desto mehr Sachverstand ist vonnöten.
Aber unbelastet von Sachverstand lässt sich’s leichter auf die Pauke hauen. Der Biertisch ist dafür ein Beispiel – dem viele Medien nur allzu gerne folgen.
Da entscheidet sich beispielsweise eine Schule für «Individualisierung» oder für «Kompetenzorientierung» oder für «offenes Lernen» oder für ein anderes populäres Schlagwort aus der pädagogischen Wundertüte. Was dann aus diesem Schlagwort gemacht wird, mit welchem Engagement und mit welcher Kompetenz es vom einzelnen Lehrer in den schulischen Arbeitsalltag umgesetzt wird, das steht auf einem ganz anderen Blatt. Die Unterschiede sind ähnlich gross wie zwischen Chlepfmoos und Bayern München. Fussball ist eben nicht einfach Fussball. Und «offenes Lernen» ist nicht einfach «offenes Lernen». Aber das scheint publizistisch keine Rolle zu spielen.
Man fühlt sich an Max Frisch erinnert: „Nichts leichter als das: man schneidet eine Kartoffel zurecht, bis sie wie eine Birne aussieht, dann beisst man hinein und empört sich vor aller Öffentlichkeit, dass es nicht nach Birne schmeckt, ganz und gar nicht!»
Der publizistische und politische Umgang mit Veränderungen im Bildungswesen verläuft nach ähnlichen Strickmustern: Man nimmt eine Schule, die sich mit neueren Formen von schulischem Lernen schwertut und empört sich in aller Öffentlichkeit darüber, dass «Individualisierung» oder «selbstständiges Lernen» oder «offener Unterricht» (die Liste der Begriffe lässt sich in verschiedenen Kombinationen beliebig erweitern) – dass all dies schnurstracks ins Elend schulischen Dumpfbackentums führe. Und besorgte bildungsnahe Eltern sehen ihre Kinder schon der glänzenden Karrieren beraubt unter Brücken schlafen.
Deshalb noch einmal: Fussball ist nicht einfach Fussball. Kartoffeln sind nicht Birnen (auch wenn sie sich so zurechtschneidet). Und «neues Lernen» – oder wie man auch immer sagen will – ist nicht per se gut oder schlecht. Es kommt drauf an, was aus dem Begriff gemacht wird. Und womit man vergleicht.
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