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Einführung: Erfolg ist das Ergebnis vieler kleiner Siege über sich selbst

Einführung: Erfolg ist das Ergebnis vieler kleiner Siege über sich selbst

Schulisches Lernen ist menschliches Verhalten – menschliches Verhalten in einem bestimmten Kontext. Verschiedene Menschen treffen sich in einer Umgebung namens „Schule“. Und sie tun etwas. Was sie tun und wie sie das tun, das hängt von verschiedenen äusseren und inneren Einflussfaktoren ab. Lernen ist halt nicht einfach die Reaktion auf Lehren. Im Gegenteil: Es ist ein hochkomplexes Geschehen, das sich da Stunde um Stunde abspielt.

Und dennoch: Am Ende der Fahnenstange ist es immer der einzelne Mensch, der etwas tut. Oder unterlässt. Ob und wie und wie oft und mit wem, das ist weitgehend abhängig von charakterlichen Eigenschaften, von Persönlichkeitsmerkmalen.

Die Erkenntnis drängt sich auf: Es ist die Persönlichkeit, die die schulische Entwicklung determiniert. Und limitiert. Wer erfolgreiches schulisches Lernen will, muss sich folglich um die Menschen kümmern. Um ihre Persönlichkeit. Um ihre charakterlichen Eigenschaften. Um das was sie tun. Denn Menschen lernen, was sie tun. Und sie werden, was sie tun. Sie sind das Resultat ihrer Erfahrungen. Und wer also will, dass sie zukunftsfähig werden, fit werden für ihr Leben, muss Einfluss darauf nehmen, auf das, was sie tun, wie, wo, mit wem, warum. Das kristallisiert sich in der Frage: Bringt mich das, was ich tue, wirklich dorthin, wo ich will und wo es gut ist für mich?

Fit fürs Leben werden heisst, Verhaltensmuster aufzubauen und zu trainieren, die einen weiterbringen. Und es heisst unter Umständen halt auch, sich andere Dinge abzugewöhnen. Fit fürs Leben sein, da gehört mehr dazu als ein paar passable Prüfungsnoten. Denn in einer Gesellschaft, die sich so rasant verändert, braucht es mehr als totes Schulwissen. Viel mehr. Natürlich kann es trotzdem nicht schaden, ein bisschen mehr zu wissen als dass die Welt eine Scheibe ist. Indes: Sich vertieft mit den Dingen und den Zusammenhängen auseinandersetzen, das tut nur, wer persönlich und sozial fit ist. Denn wer beispielsweise nicht an sich und seine Fähigkeiten glaubt, wird tausend Möglichkeiten finden, sich um den Dreisatz herum zu winden. Wer seinen inneren Schweinehund frei laufen lässt, wird selbst die simpelsten französischen Vokabeln vor sich her schieben wie eine Wanderdüne. Und wer erst morgens um vier vom Computerspiel in den Schlafmodus fällt, hat ohnehin andere Probleme als die Rechtschreibung.

Deshalb: Wer fit sein oder werden soll, fit für die Schule, fit für sein Leben, der braucht zuerst und vor allem die Fähigkeit, mit sich und mit der Welt einigermassen klar zu kommen.

Doch: Non vitae, sed scholae discimus – nicht für das Leben, für die Schule lernen wir. Schon Seneca beklagte, dass die Schule nicht dazu beitrage, die jungen Menschen auf das Leben vorzubereiten. Zwar hat jemand das Ganze dann mal umgekrempelt und behauptet, man lerne für das Leben und nicht für die Schule. Doch wie man sieht: Das ist mit Worten einfacher zu bewerkstelligen als mit Taten. Und vor allem: bequemer. Nichtsdestotrotz: Zweitausend Jahre nach Seneca dürften den Worten Taten folgen. Es gehört endlich jenes ins Zentrum schulischen Lernens gesetzt, auf das es wirklich ankommt: Lernende zu befähigen, in einem umfassenden, in einem multiplen Sinne fit zu werden für ihr Leben. Dieses schulische Empowerment muss wesentlich dazu beitragen, dass Lernende sich „zwäg“ fühlen, sich kompetent erleben, erfolgreich. Doch mit dem Erfolg ist es so eine Sache: Er fällt meist nicht wie Schnee vom Himmel. Erfolg ist das Ergebnis vieler kleiner Siege über sich selbst. Das schafft, wer fit ist.




Heizer mit Immatrikulationshintergrund

Als die Dampflokomotiven ausrangiert wurden, brauchte es keine Heizer mehr. Logisch! Überhaupt nicht logisch! Denn bis weit in die heutige Zeit hinein fuhren die Heizer trotzdem im Führerstand mit – am längsten in England. Margaret Thatcher hat dann aber den Gewerkschaften den Tarif erklärt und die Heizer aus den elektrischen Lokomotiven wegrationalisiert. Das ist noch gar nicht so lange her.

Eigentlich verrückt. Da werden Leute ausgebildet, die es gar nicht braucht. Und dann werden sie irgendwie beschäftigt, weil sie ja da sind. Das ist wie wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt. Abwegig, bar jeder Vernunft. Könnte man meinen.

Doch: Wenn es um die akademische Ausbildung geht, scheint sich der gesunde Menschenverstand ebenfalls aus dem Kreidestaub gemacht zu haben. Gemäss dem schweizerischen Bundesamt für Statistik ist die Zahl der Absolventen in den Geistes- und Sozialwissenschaften zwischen 2002 und 2008 um 38 Prozent gestiegen. Mit welchen überlebenswichtigen Fragen man sich da auseinandersetzt, zeigt beispielsweise das Semesterprogramm der Literaturwissenschaften an der Universität Zürich. «Wie verhält sich die inhärente Pluralität literarischer Texte dazu, dass jeder literarische Text als solcher auch eine Singularität darstellt?» Oder nicht minder bedeutungsschwanger: «Was bedeutet der Prozess der Weltliteratur zum Grossen, Gleichen, Allgemeinen, wie behauptet sich das Kleine gegenüber dem Grossen, der einzelne poetische Text gegenüber der Weltliteratur?»

Der Sinn solch akademischer Sandkastenübungen erschliesst sich nicht jedem Normalsterblichen auf Anhieb. Wahrscheinlich sind sie – die Normalsterblichen – halt einfach zu weit weg von den heiligen Hallen des Geistes. Oder andersrum: Sie sind zu nah am tätigen Leben, an den Alltagsthemen – sie sind quasi realitätskontaminiert. Und mit Belanglosigkeiten – wie dem Leben – mag man sich in den Elfenbeintürmen ja nicht belasten. Das wäre ja unter jeder Würde: Wenn der Hochschulbetrieb sich von so etwas Profanem wie «Nutzen» müsste leiten lassen. So wird unentwegt Hochschulausbildung gefördert – um jeden Preis. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Eigentliche schade. Denn die Schweiz verfügt über ein elaboriertes duales Bildungssystem. Und es wäre wahrscheinlich allen besser gedient, dieses System flexibel an die sich verändernden Bedürfnisse anzupassen, statt die Leute massenweise in die Akademisierungsfalle zu locken.

Denn gerade auch im internationalen Vergleich zu jenen Ländern mit inflationär hohen Hochschulquoten ist hierzulande die (Jugend)Arbeitslosigkeit statistisch kaum existent.

Demgegenüber sind die Aussichten – zum Beispiel für die Absolventen der Sozial- und Geisteswissenschaften in den Niederungen der Arbeitswelt keineswegs rosig – ausser natürlich im öffentlichen Sektor. Trotzdem werden massenweise Leute ausgebildet, die es eigentlich nicht braucht. Aber wenn man sie nun schon ausgebildet hat, schafft man halt irgendwelche Beschäftigungen. Wie weiland für die Heizer auf elektrischen Lokomotiven. Heutzutage heizen sie zwar auch – die Bürokratie an. Und: Sie haben Immatrikulationshintergrund.

Die Heizer haben es sich damals an ihrem «Arbeitsplatz» entweder behaglich eingerichtet oder sie waren ob ihrer Überflüssigkeit frustriert. Weshalb soll das heute anders sein?